Warschauer Kanäle
Im 19. Jahrhundert verfügte Warschau über kein Wasserleitungs-und Kanalisationsnetz. Einen erfolgreichen Versuch, dieses Problem zu lösen, wurde von Sokrates Starynkiewicz unternommen. Er war ein russischer General, der von 1875 bis 1892 das Amt des Präsidenten Warschaus ausübte. Dank seiner Entschlossenheit und Ehrlichkeit ist es ihm gelungen, aus dem verwahrlosten und provinziellen Warschau eine moderne Stadt zu machen.
Während seiner Amtszeit wurden in Warschau die Pferdebahn, das Telefonsnetz und die öffentliche Beleuchtung eingeführt. In der Stadt wurden auch Bäume gepflanzt, neue Fahrbahnen wurden gebaut (seit 1889 aus Beton) und die alten wurden renoviert. Man brachte auch die Warschauer Märkte in Ordnung (u.a. entstanden damals Hala Mirowska und Hala na Koszykach). In Bródno (eine der Stadtviertel) wurde einen neuen Friedhof gebaut.
Starynkiewiczs größte Leistung bestand aber darin, ein modernes Wasserleitungs- und Kanalisationsnetz geschafft zu haben. Mit dem Projekt des Netzes wurde William Lindley beauftragt - ein englischer Ingenieur, der schon vorher bei ähnlichen Unternehmen in verschiedenen Städten Europas gearbeitet hat (u.a. in Hamburg, Basel und Petersburg).
1881 wurde mit Lindley den Vertrag geschlossen, 1883 wurden die Arbeiten angefangen. Schon im Jahre 1886 konnte Wasser von Filterstation in Koszykowa Straße benutzt werden. Gleichzeitig öffnete man den ersten Sammler der Stadtkanalisation. Bis 1900 haben die Kosten des Unternehmens auf ungefähr 17 Millionen Rubel zugenommen (der Stadthaushalt betrug 2,5 Millionen Rubel).
Im Projekt des Warschauer Kanalisationsnetzes wurde die natürliche, der Weichsel parallele, Geländeneigung nach Norden berücksichtigt. Die Hauptkanäle, die sowohl Haushaltsabwässer, als auch Betriebsabwässer und Regenwasser leiteten, wurden in diese Richtung gebaut. Die Abwässer wurden in die Weichsel eingeleitet.
Warschauer Kanäle hatten die Form eines umgedrehten Eies. Sie bestanden aus Ziegel, die mit Zementmortel vermauert wurden, und Kieselerderohren. Sie wurden nach ihren Quer- und Längsschnitten in 11 Klassen eingeteilt. Die kleinsten hatten eine Größe von 60x90 cm, die größten – 160x210 cm. Nach 1889 wurde die Höhe der Kanäle um 20-30 cm vergrößert. Dann hatten die größten Kanäle eine Größe von 160x240 cm. Straßenabläufe zur Aufnahme von Oberflächenwasser befanden sich in 80 Meter Abstände.
1944, zu Beginn des Aufstands, der planmäßig nur 3-4 Tage dauern sollte, dachte man nicht daran, welche Rolle die Kanäle für die Aufständischen spielen konnten. Die Kämpfe hielten aber an und das Problem der Kommunikation zwischen den Aufständischen Truppen tauchte auf. Man beschloss, das Kanalnetz zu benutzen, um den Aufständischen sowohl die Kommunikation als auch Waffen- und Munitionstransport zu ermöglichen. Später wurden die Kanäle auch zur Evakuation der aufständischen Truppen genutzt.
Mithilfe der Kanalarbeiter wurde den Versuch unternommen, die möglichen Kanalverbindungen zwischen Powiśle und Altstadt (Stare Miasto), Altstadt (Stare Miasto) und Zentrum (Śródmieście) zu bestimmen. Auf Befehl der Abteilung für Nachrichtenwesen der Hauptkommandantur der Heimatarmee (AK) wurde die Monografie Warschauer Wasserleitungen und Kanalisation mit der Kanalisationsnetzkarte wiederbekommen (die Urkunden befanden sich im ständig unter Beschuss stehenden Geschäftsführungsbüro Warschauer Wasserleitungen und Kanalisation in Lipowa Straße). Dank der Dokumente konnte man feststellen, ob die Kanäle sich für Kommunikationszwecken der Heimatarmee eigneten.
Es entstanden spezielle Kanalpatrouillen, zu denen am Anfang hauptsächlich Frauen gehörten. Später konnten auch Jungen (meistens Pfadfinder) Mitglieder der Kanalpatrouillen werden. Ein Patrouillemitglied sollte eine möglichst zierliche Figur haben, denn manche Kanäle waren nur 110 cm hoch. Man soll bedenken, dass es in den Kanälen nie trocken war – Wasser und Abwässer, die in ihnen flossen, reichten oft bis zu den Knien, manchmal sogar bis zur Taille. Darüber hinaus herrschte dort tiefste Finsternis. Man musste also sehr spezifische Eigenschaften haben, um Mitglied einer Kanalpatrouille zu werden.
Ein erwachsener Aufständischer neben dem kleinsten Kanal
Die Kanalrouten wurden von speziellen Kanalnachrichtenwesenkommandos bedient, die der Hauptkommandantur der Heimatarmee unterstanden.
Man bestimmte folgende Hauptkanalrouten:
Altstadt (Stare Miasto) – Żoliborz: Streckelänge– 3 060 m, der Einstiegsschacht in Żoliborz befand sich in Stołeczna Straße (heutzutage Popiełuszki Straße), der Einstiegsschacht in der Altstadt – in Długa Straße (am Krasińskich Platz)
Żoliborz – Zentrum (Śródmieście): Streckelänge– 4 830 m, Einstiegsschacht in Żoliborz - Stołeczna Straße (heutzutage Popiełuszki Straße), Einstiegsschacht im Zentrum – Zgoda Straße
Altstadt – Zentrum: Streckelänge– 1 600m, Einstiegsschacht in der Altstadt – Długa Straße (am Krasińskich Platz), Einstiegsschacht im Zentrum – neben der Kreuzung von Nowy Świat Straße und Warecka Straße
Altstadt – Zentrum: Streckelänge 1 370 m, Einstiegsschacht in der Altstadt – Daniłowiczowska Straße (heutzutage Nowy Przejazd Straße), Einstiegsschacht im Zentrum – an der Kreuzung von Mazowiecka Straße und Swiętokrzyska Straße
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Altstadt – Bankowy Platz: Streckelänge– 1 430 m, Einstiegsschacht in der Altstadt: Długa Straße (am Krasińskich Platz), Einstiegsschacht am Bankowy Platz – neben dem Gebäude in Senatorska Straße 40
Südzentrum – Mokotów: Streckelänge– 2 080 m, Einstiegsschacht im Zentrum – Ujazdowskie Alleen 43 (an Wilcza Straße), Einstiegsschacht in Mokotów – an der Kreuzung von Wiktorska und Puławska Straßen
Südzentrum – Mokotów (unter Łazienki Park): Streckelänge– 3 700 m, Einstiegsschacht im Zentrum – Ujazdowskie Alleen 43 (neben Wilcza Straße), Einstiegsschacht in Mokotów – neben der Kreuzung von Wiktorska und Puławska Straßen
Czerniaków – Mokotów: Streckelänge – 3 790 m, Einstiegsschacht in Czerniaków- Zagórna Straße, Einstiegsschacht in Mokotów – neben der Kreuzung von Wiktorska und Puławska Straßen
Ochota – Zentrum: Streckelänge – 1000, ein sehr dunkler und enger Kanal, Einstiegsschacht in Ochota – Wawelska Straße 60, Einstiegsschacht im Zentrum - Prokuratorska Straße (in Kolonia Staszica)
In der ersten Phase des Aufstands wurden die Kanäle hauptsächlich zu Kommunikationszwecken und Transport von Waffen, Munition und Verbandmittel benutzt. Durch Kanäle lieferte man die Aufstandspost zu allen kämpfenden Vierteln.
Zentrum und Altstadt wurden durch eine spezielle Telefonleitung verbunden, die in einem Kanal installiert wurde. Die Telefonleitung funktionierte vom 15. August bis zum Moment, in diesem die aufständischen Truppen die Altstadt verließen.
Am Anfang unterschätzten die Deutschen die Bedeutung der Kanäle. General von dem Bach schenkte den Informationen über Kanaltätigkeit der Aufständischen keine Aufmerksamkeit. Erst als die Verteidiger der Altstadt verschwanden, wurde der deutschen Führung klar, dass die Aufständischen jeden Augenblick in ihrem Hinterland erscheinen konnten. Man entdeckte auch die Telefonkabel in Kanälen.
Seitdem versuchten die Deutschen alles, um den Zugang zu Kanälen für die Polen unmöglich zu machen. Sie isolierten Kanalstrecken, kontrollierten die Einstiegsschachte, installierten Abhöranlagen in Kanälen. Wenn sie Geräusche aus den Kanälen hörten, warfen sie Granate und Dosen mit Gift- oder Tränengas in die Straßenabläufe hinein, sie schossen auch in die Abläufe mit Maschinengewehren. In Kanälen bauten sie Sperren aus Stahlbalken, Bohlen und Sandsacken, um das Wasser zu stauen und die Kanäle unnutzbar zu machen.
General von dem Bach gab später zu, dass er die Kanäle auch dafür nutzte, Spione in die aufständischen Gebieten zu schicken. Meistens waren sie Volksdeutsche oder Ukrainer. Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, verließen sie üblich die Stadt mit Zivilisten, um die gewonnenen Informationen zu vermitteln.
Trotz aller Schwierigkeiten, die die Deutschen bereiteten, funktionierten die Kanalpatrouillen bis zum Ende des Aufstands. Zierliche Mädchen und Jungen (oft Teenager) vermittelten Meldungen, transportierten Munition, Arznei- und Verbandmittel. Die Anstrengung bei dieser Arbeit war enorm. Deswegen war das maximale Gewicht der zu transportierende Packungen auf 3-5 kg begrenzt. Es war unmöglich, schwerere Packungen in den Kanälen zu tragen.
Hier folgt der Bericht einer Kanalpatrouillemitgliederin, die die Strecke zwischen Zentrum und Altstadt bewältigte:
" „ Mithilfe von Metalgriffen sind wir heruntergekommen. In unserer Patrouille gibt es einige zehn Personen, unter denen - der Führer. Dort unten bekommt jeder einen ungefähr 50-cm langen Holzknüppel. Wir beugen uns und haken die Holzknuppel zwischen den Kanalwänden ein. Sich an den Knüppel festhaltend macht man einen Schritt nach vorne. Dann verschiebt man seinen Knüppel nach vorne und macht einen weiteren Schritt. Unsere Rücken reiben an die Decke, wir spuren fast, dass die Decke uns jeden Moment niederschlagen kann. Nach einiger Zeit ist Wahnsinn ganz nah.
Wir werfen die Knüppel weg und gehen auf allen Vieren weiter. Unten fließt die stinkende Schmiere. Auf dem Boden liegt Sand, stellenweise auch scharfer Kies. Unsere Knien tun weh. Der Schmerz wird unerträglich, unsere Knien brennen entsetzlich. Wir bedauern, die Holzknüppel weggeschmissen zu haben. Wir kriechen weiter. Allmählich werden die unten fließenden Abwässer etwas sauberer. Der Kanal ist jetzt höher. Man kann endlich den Oberkörper aufrichten. Wir erreichen einen tiefen Brunnen, auf deren Wänden sich Eisenhaken befinden. Unsere Packungen sind glücklicherweise nicht nass geworden.
Mühselig klettern wir nach oben zum Einstiegsschacht am Krasińskich Platz. Ringsum nur Flammen und Qualm. Wir haben die Altstadt erreicht.“
Die Kanalpatrouillen versuchten die Routen mit Pfeilen und anderen Zeichen zu kennzeichnen, um die Orientierung in den Kanälen zu erleichtern. Damit wollte man lebensbedrohende Situationen vorbeugen (es passierte manchmal, dass die Aufständischen sich in Sackstrecken verirrten).
Dank der Kanäle wurden nicht nur Transport und Versorgung sichergestellt, man hat sie auch zur Evakuierung genutzt. In Notsituationen wurden die Kanalrouten von großen Menschengruppen benutzt. Oft waren es schwer bewaffnete Soldaten. Die Situation wurde umso schlimmer, als diese Menschen oft zum Ersten mal eine Kanalroute nahmen.
In solchen Situationen wurde natürlich mehr Lärm gemacht und folglich war es leichter für die Deutschen die Aufständischen zu entdecken. Außerdem viele der Aufständischen konnten die in Kanälen herrschenden Umstände nicht ertragen. Sie brachten zusammen. Viele von ihnen verirrten sich in der Finsternis. Manche begangen sogar Selbstmord aus Verzweiflung.
Als erster wurde zur Evakuierung der Kanal in Ochota benutzt. Am 7. August 1944 entschieden die Verteidiger der umzingelten „Reduta Wawelska“ (ein bebautes Gebiet zwischen Wawelska, Pługa, Mianowskiego und Uniwersytecka Straßen) ihre Stellung zu verlassen. Der einzige mögliche Evakuationsweg war der Kanal. Leider stand der Einstegsschacht unter feindlichem Beschuss.
Die Aufständischen beschließen einen zu dem Einstiegsschacht führenden Tunnel zu graben (man wollte mit der Arbeit in Kellern auf der Wawelska Straße anfangen). Die Arbeiten wurden am 10. August beendet. Der Kanal war ungewöhnlich eng und niedrig (110 x 60 cm). Am 11. August, nach einigen misslungenen Versuchen, die Route zu finden, gelang es den Verteidigern von „Reduta Wawelska“ (insgesamt 83 Menschen) die ein Kilometer lange Kanalroute zu bewältigen. Sie verließen den Kanal durch den Einstiegsschacht in der Prokuratorska Straße in Kolonia Staszica. Es war das erste Mal, als ein bewaffneter Trupp eine Kanalroute nahm.
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Am 20. und 21. August 1944, nach den misslungenen Angriffen auf Gdański Bahnhof (Dworzec Gdański), wurde die Entscheidung getroffen, die Verletzten, den Stab des nicht kämpfenden Verbandes, einen Teil des medizinischen Personal, die Kommunalverwaltung und die Zivilisten aus der Altstadt zu evakuieren. Die Menschen sollten nach Żoliborz und zum Zentrum gelangen. Diese Pläne wurden nur zum Teil realisiert. Wegen des hohen Wasserstands in den Kanälen wurde das Pendeln zwischen Altstadt und Zentrum unmöglich. Man musste erst versuchen, die Routen zu entwässern.
In der Nacht vom 25. auf 26. August verlagerten sich aus Altstadt nach Zentrum die Hauptkommandantur der Heimatarmee mit General Bór Komorowski und die Zivilregierung mit Kazimierz Pużak -dem Vorsitzendem des Nationalen Einheitsrates.
Der deutsche Belagerungsring wurde immer enger. Deshalb versuchte die aufständische Führung zum Zentrum durchdringen. Die Angriffsaktion sollte in die Richtung Królewska Straße und Hale Mirowskie verlaufen. Sie sollte von Sonderkanaltruppen unterstützt werden, die am Bankowy Platz die Deutschen angreifen sollten. Zu den Sonderkanaltruppen gehörten Soldaten aus Bataillonen „Czata 49“ und „Gustaw“ (insgesamt 150 Soldaten) unter Zbigniew Ścibor-Rylskis Führung.
Nach Einbruch der Dunkelheit am 30 August 1944 stiegen die Sonderkanaltruppen am Krasińskich Platz in die Kanäle und machten sich auf den Weg zum Bankowy Platz. Sie mussten eine 1,5 Kilometer lange Kanalstrecke zurücklegen. Die maximale Höhe des Kanals betrug 170 cm, die minimale – 90 cm. Um 1.00 Uhr erreichten sie Bankowy Platz. Die erste Gruppe der Soldaten verließ den Kanal über den Einstiegsschacht, der sich neben dem Springbrunnen befand, und versteckte sich im Gebüsch bei der Nepomukstatue.
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Es stellte sich heraus, dass es in der Nähe viele Deutschen Soldaten gab. Vielmehr bat das offene Gebiet keine Möglichkeit, gute Schießposition zu betreten. Einer der deutschen Soldaten bemerkte die Aufständischen und schlug Alarm. Es erfolgte eine Schießerei. Die Deutschen eröffneten das Feuer – sie schossen mit Maschinengewehren und Granatwerfern.
Die Aufständischen erlitten Verluste und nach circa 45 Minuten wurden sie zum Rückzug gezwungen. Sie mussten wieder die Kanalroute nehmen. Einige der überlebenden Soldaten kehrten nach Altstadt zurück, andere erreichten den Einstiegsschacht in der Nowy Świat Straße. Auch die anderen Truppen, die in der Angriffsaktion teilgenommen hatten, mussten aufgeben. Der aufständische Versuch, sich den Weg zum Zentrum zu erkämpfen, ist misslungen.
Angesichts dieser Situation entschied sich der Altstadtstab für eine Evakuierungsaktion. Man wollte mit der Evakuierung am 1. September anfangen. Als ersten sollten Leichverletzten und unbewaffnete Soldaten evakuiert werden. Dann sollte der Rückzug der bewaffneten Aufständischen erfolgen. Jede zweite Stunde sollten die Befehlshaber 50 Menschen mit einem Tau absenden. Planmäßig sollten alle 1500 Soldaten bis 9.00 Uhr am 2. September evakuiert werden.
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In der Nacht vom 31. August auf 1. September arbeiteten die Pioniere im Keller des Berufungsgerichts und schufen Zugang zum Einstiegsschacht am Krasińskich Platz. Sie haben den Einstiegsschacht mithilfe von Gehwegplatten gesichert. Die ganze Zeit stand die Altstadt unter deutschem Artilleriefeuer. Während des Angriffes haben die Deutschen auch Bomben benutzt. Am 1. September evakuierten die Aufständischen den ganzen Tag lang die Leichverletzten und die unbewaffneten Soldaten und erlitten dabei schwere Verluste. Am Nachmittag des 1. Septembers verlagerten sich die Kämpfen in die Nähe von Krasińskich Platz.
Schließlich erließ die Führung den Befehl, die Frontsoldaten zu evakuieren. Die Evakuierung sollte in folgender Reihenfolge erfolgen:
- - „Róg“ Gruppierung
- - Lazarette
- - „Sosna“ Gruppierung
- - Gruppenstab und die Führung
- - „Radosław“ Gruppierung
- - Nachhut
Die Soldaten wurden in 50-Personnengruppen eingeteilt. Jede solche Gruppe hatte einen eigenen Leiter. Eine Gruppe nach der anderen gingen die Aufständischen in die Richtung Nowy Świat Straße. Die Umstände in den Kanälen waren schrecklich. Die schlüpfrige Schmiere reichte ihnen bis zu den Knöcheln, dann bis zu den Knien und an manchen Stellen sogar bis zum Gesicht.
Kanalmarsch (von Wiesław Chrzanowski gezeichnet)
Unter ihren Füßen spürten sie Waffen und Leichen der Soldaten, die die Mühen des Marsches nicht aushalten konnten. Die Schwerverletzten wurden mithilfe von provisorischen Tragbahren aus Wolldecken transportiert. Am Ende, nach dem vier Stunden langen Marsch, erreichten die Überlebenden eine völlig andere Realität. In der Nowy Świat Straße schien die Sonne, auf der Straße spazierten elegante Frauen, es gab Scheiben in Fenstern.
Die Aufständischen aus der Altstadt kommen aus den Kanal neben Warecka Straße heraus
Erholung nach dem schweren Weg
Während der Evakuierung spielten Sanitärdienste und Funkdienste eine sehr große Rolle. Melderinnen und Sanitäterinnen führten die Soldaten aus den Kanälen, sie transportierten die Verwundeten und sorgten dafür, dass so viele Aufständischen wie möglich evakuiert werden. Auch die geschulten Kanalführer leisteten gute Dienste während der Evakuierung. Eine herausragende Arbeit wurde von einer jüdischen Gruppe geleitstet, die früher mithilfe des „Zośka“ Bataillons aus dem Lager in Gęsiówka geflohen war. Später kämpften die Juden in Czerniaków zusammen mit „Radosław“ Bataillon. Viele von ihnen kamen in diesem Kampf ums Leben.
Am Morgen des 2. Septembers stiegen die Nachhut, die Gefangenen und Verletzten in den Kanal. Als Zivilisten in den Kanal hineingingen, fingen die Deutsche mit einem Luftangriff an, infolge dessen das Gebäude des Berufungsgerichts zusammenbrach. Der Schutt begrub den Einstiegsschacht des Kanals und die hineingehenden Menschen.
Schließlich verließen die Altstadt 3 000 leicht verwundete und unbewaffnete Soldaten und 1500 bewaffnete Soldaten. Nach Żoliborz gelangen ungefähr 800 Aufständischen (zusammen mit einigen Einheiten der Volksarmee).
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In der Altstadt blieben ungefähr 200 gesunde Aufständischen, die Mehrheit von denen sich unter Zivilisten mischte, 2 500 Schwerverwundeten, die mit den Sanitäter in Lazaretten verblieben, 40 000 Zivilisten (von denen ungefähr 5 000 schwerverwundet waren).
Nach dem deutschen Einmarsch, kam es in der Altstadt zu Massenmorden und Vergewaltigungen. Die meisten von den verwundeten Aufständischen wurden getötet. Nur einige sind diesem grausamen Schicksal entkommen. Manche wurden von Deutschen Soldaten – den ehemaligen Gefangenen – gerettet. Behinderte und der Heimatarmeezugehörigkeit verdächtigten Menschen wurden vor Ort erschossen. Die anderen wurden zum Lager in Pruszków transportiert.
Nach dem Zusammenbruch der Altstadt unternahm die aufständische Führung den Versuch eine Kanalroute zwischen Zentrum und Żoliborz zu schaffen. Von beiden Bezirken gingen Kanalpatrouillen los, um den Weg zu entdecken. Unter anderem versuchte man eine Route unter den Trümmern des Gettos zu finden. Eine der Routen war unpassierbar wegen eines im Kanal entstandenen Leichen-Damms. Andere wurden absichtlich von den Deutschen gesperrt. Die Aufständischen versuchten die Sperre abzubauen oder zu sprengen.
Nach dem 10. September gelang es ihnen endlich, die Kanalroute zwischen Żoliborz und Zentrum zu bestimmen. Der Einstiegsschacht in Żoliborz befand sich in Stołeczna Straße (heutzutage Popiełuszki Straße), im Zentrum – in Zgoda Straße. Die Streckelänge betrug 4 840 m.
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Die Strecke wurde hauptsächlich von Melderinnen der Abteilung für Sondernachrichtenwesen der Hauptkommandantur der Heimatarmee (AK) bedient. Außer den Melderinnen wurden in den Kanal nur Menschen mit Passierscheinen hineingelassen. Die Kanäle wurden ständig von speziellen Einheiten bewacht. Private Korrespondenz konnte durch den Kanal nicht mehr transportiert werden. Informationen über Kanaldienste konnten nicht verbreitet werden.
Die Kanalroute zwischen Żoliborz und Zentrum funktionierte bis zum 29. September 1944 (also bis zur Kapitulation von Żoliborz). Man versuchte auch Funkkontakt zwischen den beiden Vierteln zu schaffen. Die Arbeiten wurden aber erst am Abend des 28. Septembers beendet - gleich vor der Kapitulation. Die enorme Mühe der Funkspezialisten nutzte also nichts.
Während des Aufstands war Mokotów vom Zentrum isoliert. Schon am Anfang wurden die Versuche unternommen, eine Verbindung zwischen den beiden Vierteln zu schaffen. Nach einigen misslungenen Aktionen beschlossen zwei Melderinnen aus dem Stab General „Monters“, am 7. August noch einen Versuch zu unternehmen. Sie stiegen in den Kanal am Trzech Krzyży Platz hinein und schlugen die Richtung nach Unii Lubelskiej Platz ein. Nach ein paar Stunden erreichten sie Mokotów. Den Kanal verlassend, bemerkten sie, dass sie sich in der Nähe von Szustra Straße befanden. Sie kannten das in Mokotów geltende Kennwort nicht, weswegen sie sich mit dem Kenntnis der Decknamen von Befehlshabern ausweisen mussten. Dann wurden sie zur Führung des „Baszta“ Regiments hingebracht, wo sie meldeten, dass sie durch den Kanal auf Befehl von General „Monter“ gekommen waren.
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Die Verbindung zwischen den Vierteln wurde also hergestellt. Man bestimmte Rahmenrichtlinien für die Aufrecherhaltung des Kontakts. Die Route war sehr schwierig. Im Kanal gab es zum Beispiel eine 60 Meter lange Strecke, die man nur kriechend bewältigen konnte. Man unternahm natürlich Versuche, einen besseren Weg zu finden. Und einer dieser Versuche war erfolgreich.
Die neue Route hat ihren Anfang am Straßenablauf in Puławska Straße und endete am Einstiegsschacht neben der Kreuzung von Ujazdowskie Alleen und Wilcza Straße. An besonders schwierigen Stellen wurden an den Wänden Seile installiert, an denen man sich festhalten konnte. Diese Kanalroute war die einzige, die während des Aufstands von den Deutschen nicht entdeckt wurde.
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Die südlichen Kanalverbindungen wurden streng geheim gehalten. Nur Personen mit Passierscheinen konnten die Routen benutzen. Die Einstiegsschachten wurden ständig bewacht. Außer Melder begaben sich nach Mokotów auch Offiziere auf Sondermissionen. Mitte September bekamen auch „Zawiszacy“ von Pfadfinderfeldpost ( Harcerska Poczta Polowa) die Erlaubnis, die Kanalrouten nach Mokotów zu benutzen. Dank ihnen wurde der Briefwechsel zwischen den Bewohnern von Mokotów und Zentrum ermöglicht.
Die erste Meldergruppe, die zwischen Zentrum und Mokotów pendelte
In der zweiten Hälfte Septembers dauerten heftige Kämpfe in Czerniaków. Die deutschen Streitkräfte waren den aufständischen überlegen. Sogar die Unterstützung der Bataillonen des 8. Infanterieregiments von General Berling nutzte nichts. Die letzten Gruppen von Soldaten aus Gruppierungen „Radosław“ und „Kryska“ wurden aus ihren Positionen verdrängt.
Am Morgen des 15. Septembers schickte Oberstleutnant „Radosław“ Informationen über die schwere Lage in Czerniaków zu den Aufständischen in Mokotów. Am Nachmittag schickte der Befehlshaber des Bezirks Südzentrum – Oberstleutnant „Sławbor“ Jan Szczurek-Cergowski – eine Melderin nach Czerniaków, die mit „Radosław“ Kontakt aufnehmen sollte. An demselben Tag kam die Melderin mit „Radosławs“ Antowrt zurück.
Am 16 September schickte „Sławbor“ den Aufständischen in Czerniaków seine ganze Munitionsreserve: 500 Gewehrpatronen, 500 Patronen für Maschinenpistolen, 2 sowjetische Maschinenpistolen mit 2000 Patronen. Der Transport erreichte leider die Aufständischen in Czerniaków nicht und wurde zurück nach Zentrum geschickt.
Am Abend des 19. Septembers entschied sich Oberstleutnant „Radosław“ die verletzten und unbewaffneten Soldaten seiner Gruppierung zu evakuieren. Die Soldaten sollten die nach Mokotów führende Kanalroute nehmen. Die bewaffneten Soldaten (160 Menschen) setzten die Verteidigung fort unter Kapitan „Jerzy“ Ryszard Białouss Führung. Ihnen wurde von General Berlings Soldaten unter Major Łatyszoneks Führung geholfen. Um Mitternacht wurde den Rückzug der Aufständischen befohlen. 200 Menschen (unter denen 50% verletzt waren) gelangten zum Einstiegsschacht in der Dworkowa Straße. Außer „Radosławs“ Soldaten waren unter ihnen auch Soldaten aus „Kryska“ Gruppierung.
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Am 23 September ist Czerniaków gefallen. Die meisten Soldaten, die im Kampf nicht ums Leben gekommen waren, wurden von SS-Männern ermordet (z. B. Priester Józef Stanek „Rudy“, der Feldgeistlicher aus „Kryska“ Gruppierung, wurde erhängt). Ein paar Soldaten gelangten an das andere Ufer; einige, unter Kapitäns „Jerzy“ Führung, schlugen sich bis zum Zentrum durch. Eine kleine Gruppe von Aufständischen und Berlings Soldaten wurde als Kriegsgefangenen behandelt. Eine andere Gruppe mischte sich unter Zivilisten und wurden mit ihnen nach Pruszków geführt.
Am 24. September wurde Mokotów von den Deutschen gestürmt. Nach 2 Tagen schwierigen Kampfes wurden die Aufständischen aus ihren Positionen verdrängt. Angesichts schwerer Verluste beschloss die aufständische Führung den Rückzug zu befehlen. Die Soldaten sollten mithilfe von Kanalrouten nach Zentrum gelangen. Als ersten sollten diejenigen evakuiert werden, denen schwerste Repressionen drohten – der Stab, die Gegenspionage, Soldaten der Polnischen Volksarmee (PAL), die Propagandadienste, das Gericht und die Anwaltschaft, Militärpolizisten verantwortlich für Hinrichtungen der Volksdeutschen und SS SA Mitglieder, und Oberstleutnant „Radosławs“ Gruppierungen der Diversionsleitung (KEDYW). Auch die Leichtverletzten sollten mit dieser Gruppe evakuiert werden. Andere Soldaten, unter Major Kazimierz Sternals Führung, sollten den Rückzug sichern.
Die Evakuation begann am Morgen des 26. Septembers. Die Evakuationsroute führte vom Einstiegsschacht in Wiktorska Straße bis zum Einstiegsschacht in Wilcza Straße. Die Mehrheit der Soldaten befand sich zum ersten Mal in einem Kanal. Nachdem die Gruppe in den Kanal gestiegen war, erfolgte eine deutsche Bombardierung. Schutt prasselte auf die Köpfe der Soldaten. Panik brach aus. Die Gruppe wollte umkehren, aber der Einstiegsschacht in Wiktorska Straße war schon zerstörst worden. Die Aufständischen mussten also weitergehen. Nach einem elf Stunden langen Marsch erreichten sie ohne Verluste den Einstiegsschacht in Jerozolimskie Alleen.
Da der Einstiegsschacht in Wiktorska Straße und eine Strecke der Kanalroute zerstört wurden, musste man den Einstiegsschacht an der Szustra Straße zugänglich machen.
Um 16.00 Uhr begann eine zwei Stunden lange Waffenruhe. Die Zivilisten fingen an, Mokotów zu verlassen. Oberstleutnant „Karol: Józef W. Rokicki, der Befehlshaber aus Mokotów, benachrichtigte General „Monter“, dass er am Abend die Truppen aus Mokotów nach Zentrum evakuieren wollte. General „Monter“ wollte darin nicht einwilligen. Er befehlte Rokicki in Mokotów zu bleiben und die Positionen zu verteidigen. Am Nachmittag griffen die Deutschen wieder an. Um 20.00 Uhr befahl Oberstleutnant „Karol“, mit der Evakuation anzufangen.
Am Einstiegsschacht in Szustra Straße drängten sich viele Menschen. Die Soldaten von „Radosław“ und „Zryw“ versuchten irgendwelche Ordnung zu schaffen. Gleichzeitig erreichten die ersten evakuierten Soldaten den Einstiegsschacht in Wilcza Straße. Das Chaos wurde immer größer. Zivilisten mit gefälschten Passierscheinen stiegen auch in den Kanal. Manche versuchten auch durch andere, unbewachte Einstiegsschachte (z.B. in Szustra, Bałuckiego und Belgijsak Straßen) hineinzugelangen.
Um 21. Uhr fing die richtige Evakuation an. In den Kanal stiegen folgende Gruppe hinein: „Radosławs“ Soldaten, Verletzten, Zivilbehörde, Sanitärdienste, Flüchtlinge, Verletzten von Kompanie B-3 des „Baszta“ Regiments, die Reste des Bataillons „Gardy“. Um 23.15 ging Oberstleutnant „Karol“ in den Kanal hinein. Um Mitternacht sollte sich die Nachhut zurückziehen.
Die erste Gruppe ging im Kanal langsam nach vorne. Dann aber blieb sie stehen. Es war schwierig die Ursache des Stillstands zu nennen, denn in der Tat konnte nur eine Person auf einmal sich im Kanal bewegen. Nachdem Man einen Kundschafter nach vorne geschickt hatte, stellte es sich heraus, dass erschöpfte Soldaten sich einfach auf den Boden gesetzt hatten und wollten nicht mehr gehen.
Oberstleutnant „Karol“ drängte sich mit einem Sergeant nach vorne. Es stellte sich heraus, dass die Soldaten des ersten Chevauleger Regiments vor einer Strecke voller tiefen, stinkenden Schmiere stehengeblieben waren. Ein bisschen ferner befand sich eine Sperre– Eisenschiene mit Stacheldraht umwickelt. „Karol“ schickte Melderinnen dorthin, die die Drähte abbogen und dadurch eine kleine Öffnung schuften. Die Öffnung war aber so klein, dass es auf einmal nur von einer Person benutzt werden konnte. Einige Meter ferner befand sich eine ähnliche Sperre.
Die Luft im Kanal wurde immer schlechter. Ammoniak gemischt mit dem von den Deutschen ins Kanal geworfenen Carbid erzeugte ein brennendes Gas. Die Aufständischen wurden immer schwächer, beim geringsten Anlass gerieten sie in Panik. Oft erlebten sie Nervenschock und bekamen Halluzinationen - sie fingen an sich gegenseitig zu beschießen und mit Granaten zu bewerfen, denn es schien ihnen, dass ihre Kollegen Deutschen waren. Die Aufständischen wateten im Schlamm, sie rutschten aus und fielen hin, sie stolperten über Leichen und weggeworfene Gegenstände. Die Ordnung war vorbei.
Im Kanal (von Przemek Szelągowski)
Trotz aller Schwierigkeiten und Gefahren, gelang es „Karols” Gruppe die Gabelung des Kanals zu erreichen. Einer der Wege führte zur Weichsel, der andere zu Górnośląska Straße. Hier begegneten sie einer von General „Monter“ gesendeten Gruppe, die ihnen mitteilte, dass sie zurück nach Mokotów gehen sollten.
Die Mitteilung verursachte große Verwirrung. Manche kehrten sofort zurück und trampelten die anderen auf ihrem Weg. Eine der Chevauleger Gruppen wurde in die Richtung Weichsel verdängt und befand sich plötzlich in der Nähe vom Einstiegsschacht in Wilanowska Straße. Nachdem sie nach oben gekommen waren, begegneten sie einer deutschen Abteilung. Nach einem Schusswechsel zogen sich die Aufständischen in den Kanal zurück. Durch den Kanal gelangen sie zum Einstiegsschacht in Ujazdowskie Alleen. Dort befanden sich schon Oberstleutnant „Karol“ und ein Melder von General „Monter“. Schließlich gelang es „Karol“, den Melder zu überzeugen, dass das Zurückkehren nach Mokotów völlig unmöglich war.
Jedoch konnte den Befehl nicht zurückgenommen werden. Die Menge, in die Richtung Ujazdowskie Alleen drängend, ging chaotisch nach vorne. Manche wollten zurück nach Mokotów, anderen zum Einstiegsschacht in Ujazdowskie Alleen. Sie konnten nicht den richtigen Weg finden, denn sie hatten ihre Leiter verloren.
Als sie den Einstiegsschacht in Ujazdowskie Alleen erreichten, waren sie erschöpft. Psychisch und physisch. Die letzte Gruppe erreichte den Einstiegsschacht nach dem 23 Stunden langen Umherirren im Kanal.
Ein Soldat aus Mokotów beim Einstiegsschacht in Jerozolimskie Alleen empfangen
General „Monter“ verlangte, dass die Aufständischen noch mal versuchen sollen, nach Mokotów zurückzukehren. Obwohl Oberstleutnant „Karol“ die Aktion für sinnlos hielt, gab er den Befehl eine Kolonne zu bilden, die zurück nach Mokotów gehen sollte. Die Kolonne stieg mit zwei Melderinnen in die Kanäle. Hinter den Melderinnen gingen Oberstleutnant „Karol“ und Major „Tomir“ mit seinen Soldaten, die die Verteidigung von Mokotów unterstützen sollten.
Nachdem sie einen Teil der Route bewältigt hatten, begegneten sie im Kanal einer Abteilung unter der Führung von Oberstleutnant „Góra“ Paweł Zagórowski, dem Chef von „Karols“ Stab. Oberstleutnant „Góra“ teilte „Karol“ und „Tomir“ mit, dass seine Abteilung als letzte Mokotów verlassen hatte und dass es unmöglich war nach Mokotów zurückzukehren.
Nach einer kurzen Beratung entschied sich die Kolonne „Monters“ Befehl, trotz aller Gefahren, auszuführen. Sie gingen weiter. Sie waren allein im Kanal. Die Luft wurde immer schlechter. Überall gab es mehr und mehr Leichen. Aus der Ferne hörten sie ungeheure Widerhalle. Das waren Geschrei und Lachen der Soldaten, die sich in den Kanälen verirrt hatten und Nervenzusammenbruch bekamen.
Nach einiger Zeit stoßen die Aufständischen auf weitere Sperren. Wenn sie auf sie zukamen, wurden sie mit Granaten beworfen – die Einstiegsschachten zum Kanal waren geöffnet und die Deutschen konnten die Aufständischen beschießen. Es war unmöglich, mit der ganzen Gruppe weiter zu gehen. Zwei Melderinnen, die „Monters“ Befehl an „Zryw“ liefern sollten, beschlossen es zu versuchen. Sie krachen an die Sperren vorbei und gingen weiter nach vorne. Plötzlich wurde eine der Melderinen von jemandem ergriffen. Es stellte sich heraus, dass das ein Aufständischer war, der sich in den Stacheldraht verwickelt hatte und sich nicht befreien konnte. Wegen einer Granateexplosion wurde er auch taub. Die Melderinnen befreiten ihn und beschlossen nach Zentrum zurückzukehren. Es wurde ihnen klar, dass es unmöglich war, nach Mokotów zu gelangen.
Nicht allen Soldaten aus Mokotów, die in die Kanäle gestiegen waren, gelang es Zentrum zu erreichen. Die widersprüchlichen Befehle brachten die Soldaten in Verwirrung. Manche entschlossen sich dazu, nach Zentrum zurückzukehren. Viele von ihnen verirrten sich im Kanal. Indem sie in der Finsternis umherirrten, verloren sie ihr Zeitgefühl. Manche suchten 20 stunden lang nach dem Ausgang. Viele, die den Weg nicht wiederfinden konnten, begingen Selbstmord.
Am 27 September erreichten manche der Aufständischen den geöffneten Einstiegsschacht an der Dworkowa Straße. Gleich nachdem sie den Kanal verlassen hatten, wurden sie von SS-Männern umkreist.
Aufständischen bei dem Einstiegsschacht in Dworkowa Straße von SS-Männern umkreist
Nach der Leibesvisitation wurden circa 120 wehrlose Soldaten und Zivilisten, erschossen (unter denen befanden sich auch 50 Soldaten der Kompanie B-1 von „Baszta“ Regiment). Die weiteren Exekutionen wurden aufgeschoben auf Befehl eines deutschen Offiziers. Man muss bedenken, dass es damals der Waffenstillstand schon in Kraft getreten war und die Aufständischen sollten wie Kriegsgefangene behandelt werden.
Am 26 und 27 September 1944 verließen Mokotów zirka 950 Menschen, indem sie Kanalrouten benutzten. Nicht allen gelang es die Kanäle zu verlassen, viele von ihnen verblieben dort für immer. Später war man nicht im Stande alle in Kanälen gefundenen Leichen zu identifizieren. Sie wurden zu den „im Warschauer Aufstand Verschollenen“ gezählt.
Die Ereignisse, die in Kanälen stattfanden, bilden einen wichtigen Teil der Geschichte des Warschauer Aufstandes. Nirgendwo anders während des zweiten Weltkrieges wurden Kanäle so intensiv benutzt. Vielleicht auch nirgendwo anders waren die Ereignisse so dramatisch wie dort.
Die Stellen, die mit den Ereignissen in Warschauer Kanälen während des Aufstandes verbunden sind, wurden auf der Gedächtnis-Karte auf unserer Internetseite dokumentiert.
Man kann viel Interessantes über die Ereignissen in Tymoteusz Duchowskis und Juliusz Powałkiewiczs Buch „Kanäle – Routen der Sonderfunk während des Warschauer Aufstandes“ lesen, das 2003 als Teil des Zyklus „Warschauer Thermopylen“ erschien.
Die Ereignisse wurden auch in Andrzej Wajdas Film „Der Kanal“ geschildert. Der Film entstand im Jahre 1956 und basiert auf einer Kurzgeschichte von Jerzy Stefan Stawiński, der während des Aufstandes der Führer von Funkkompanie K-4 des „Baszta“ Regiments in Mokotów war.
Bearbeitung: Maciej Janaszek-Seydlitz
Übersetzung: Maria Obojska
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